INTERVIEW Ruan Roelofse
Langjähriger Topspieler unserer Herren 1 gibt interessante Einblicke für Tennisfans
1. Ruan, 2022 hast du dein letztes Spiel für den TC BW Schwetzingen bestritten. Was hast du seither gemacht?
Im September 2022 habe ich als Trainer von Chris Eubanks angefangen. Wir waren vorher Freunde und Doppelpartner. Es entwickelte sich eine ziemlich erfolgreiche zweijährige Zusammenarbeit. Chris gewann seinen ersten ATP-Titel auf Mallorca, erreichte ein Karrierehoch von Platz 29 in der Weltrangliste und stand im Viertelfinale von Wimbledon. Meine Trainerbeziehung mit Chris endete im September 2024.
Für 2025 haben sich einige neue Möglichkeiten ergeben. Ich werde mit einem neuen Spieler, Alex Vukic (ATP 67) bei den ATP-Turnieren in Amerika arbeiten. Auch Venus Williams ist an mich herangetreten, damit ich ihr während ihres Aufenthalts in Südflorida helfe und sie bei einigen Turnieren unterstütze.
Ansonsten arbeite ich in einer kleinen Tennisakademie in Florida und habe mich für ein MBA-Studium in Sportmanagement an der Florida Atlantic University in Boca Raton, FL, eingeschrieben. Dieses beginnt im Januar 2025 und ich kann es online absolvieren , während ich als Trainer tätig bin.
Im Dezember habe ich Katie Poluta geheiratet. Der Tag war etwas ganz Besonderes und wir hatten viel Spaß, und obwohl wir wegen der Verzögerungen bei der US-Einwanderung fast 4 Jahre warten mussten, hat sich das Warten gelohnt.
2. Wie hat die Arbeit mit Chris dein Leben verändert? Hat sich deine Sichtweise auf das Tennisspiel verändert?
Die Arbeit mit Chris hat mir auf jeden Fall Erfahrungen in einem neuen Job verschafft, da ich vom Spieler zum Trainer gewechselt bin. Es hat mir geholfen, schneller auf ein höheres Trainerniveau zu kommen, als ich es mir vorstellen konnte und es hat mir geholfen, mich mit Top-Trainern zu vernetzen und von den Besten zu lernen.
Als Spieler kann man sehr engstirnig sein, und es ist nicht immer einfach, aus seiner Komfortzone herauszugehen. Die Überlegungen, was Chris’ Gegner wohl denkt, wenn er gegen Chris spielt, und meine Aufgabe Chris’ Stärken, Schwächen und Fähigkeiten zu analysieren, hat mir die Augen für eine Menge Spielstile und Möglichkeiten geöffnet. Es zeigte mir auf, wie schmal der Grat für Verbesserungen ist.
3. Wie viele Wochen warst du mit Chris unterwegs?
Ich war etwa 28 Wochen im Jahr mit Chris unterwegs, ohne die Trainingswochen, in denen er manchmal nach Florida kam.
4. Wie sieht dein Arbeitstag aus, wenn du zu Turnieren reist ?
Ein durchschnittlicher Trainingstag bei einem Turnier kann wie folgt aussehen:
Wir kommen 90 min vor Trainingsbeginn auf der Anlage an, Sicherstellen, dass Schläger etc. bespannt und bereit sind, 30-45 Minuten Aufwärmen in der Gym, Trainingseinheit, Mittagessen und dann wieder von vorne. Ein Trainingstag vor Ort kann zwischen 5 und 8 Stunden dauern. Wenn möglich beginne ich jetzt schon meine Analysen über den Gegner, ansonsten kommt diese Arbeit erst nach dem Training im Hotel. Im Schnitt benötige ich dafür zwischen 2-4 Stunden und erstelle danach den Spielplan für das kommende Match.
Ein Spieltag kann in etwa so aussehen:
Wir kommen 3,5 - 4 Stunden vor Matchbeginn auf der Anlage an, Chris wärmt sich 30 Minuten im Fitnessstudio auf und geht dann auf den Platz. Danach hat Chris etwa 2 Stunden Zeit, um zu duschen, zu essen, und den Spielplan zu besprechen, auch unter dem Aspekt, welchen Spielplan der Gegner verfolgen könnte. 15 Minuten vor dem Spiel gehen wir zurück ins Gym. Jetzt geht es um viel Beweglichkeit und schnelle explosive Übungen, um vom ersten Punkt an bereit zu sein. Während des Spiels darf ich coachen, also unterhielten Chris und ich uns ständig darüber, was funktionierte und welche Anpassungen vorzunehmen waren.
Nach dem Spiel, je nach Ergebnis, besprachen wir den Verlauf des Matches sofort oder am nächsten Tag. Wenn Chris sein Spiel gewonnen hatte, würde meine Aufgabe, den neuen Gegner auszukundschaften, sofort beginnen, denn das braucht Zeit. Ansonsten gingen wir zurück auf den Platz und arbeiteten an Dingen, die nicht funktioniert hatten, sofern Chris sich körperlich noch fit genug fühlte. Die Spieltage können sehr lang und anstrengend sein.
5. Welches war dein Lieblingsturnier? Und warum?
Wimbledon ist mein Lieblingsturnier, einfach weil es so besonders ist und die Geschichte dahinter. Halle gefällt mir auch immer sehr gut, weil das Hotel direkt neben den Plätzen liegt und es eine kleine Stadt auf dem Land ist. Außerdem können die Spieler und Trainer kostenlos Golf spielen :)
6. Wie war es, als du einige der großen Spieler getroffen hast?
Man fühlt ihre Anwesenheit, wenn man sich im selben Raum oder auf demselben Platz befindet. Die Art und Weise, wie sie die Dinge angehen, und die Qualität, die sie produzieren, ist einfach beeindruckend. Ich schätze mich glücklich, ihnen nahe sein zu können und sie auch hinter den Kulissen arbeiten zu sehen.
7. Schaust du auf deine Zeit auf der Tour zurück und denkst über Dinge nach, die du mit deinem neuen Trainer-Wissen anders gemacht hättest?
Durch das Coaching habe ich definitiv eine andere Sichtweise auf das Spiel gewonnen. Sicherlich wäre ich jetzt offener für Ratschläge oder Veränderungen. Das Wichtigste, was ich in meiner Spielerkarriere gerne anders gemacht hätte, wäre mir einen Vollzeit-Trainer zu engagieren, -wenn ich die finanziellen Mittel gehabt hätte. Ich glaube, ich hätte viel höhere Platzierungen erreichen können, wenn ich mehr in diesem Bereich investiert hätte.
8. Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Die nächsten 5 Jahre möchte ich auf jeden Fall als Coach auf Tour bleiben. Wenn meine Frau und ich Kinder haben, wird es schwieriger 20 Wochen im Jahr unterwegs zu sein. Aber ich bin immer noch offen für Reisen, vielleicht nur ein etwas weniger. Deshalb mache ich in den nächsten zwei Jahren meinen MBA in Sportmanagement, um möglicherweise eine Führungsposition zu übernehmen oder ein eigenes Unternehmen zu gründen, das es mir ermöglicht, im Sport zu bleiben, aber auch mehr zu Hause zu sein.